Montag, 23. Februar 2015

Neurozeption – ein unbewusstes Erkennungssystem für Gefahr und Sicherheit

Neurozeption – ein unbewusstes Erkennungssystem für Gefahr und Sicherheit

Viele Untersuchungen an Neugeborenen zeigen, dass sie in einem beträchtlichen Ausmaß dazu in der Lage sind, die Mutter zu erkennen und mit ihr zu kommunizieren (z.B. die Untersuchungen von Meltzoff, siehe Literatur). Einige Untersuchungen, insbesondere die von Papoušek und Mitarbeitern (Papoušek & Papoušek 1974, 1977, 1981, 1992), haben darüber hinaus deutlich gemacht, dass es oft nicht die Mütter sind, die einen kommunikativen Austausch starten, sondern dass die Initiative für einen interaktiven Austausch oft von den Säuglingen ausgeht. Das verlangt, die Frage nach der vorsprachlichen Kommunikation grundsätzlich zu behandeln und zu beantworten.

Zunächst erscheint es wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir, wenn wir von Kommunikation sprechen, zwei eigenständige Kommunikationspartner meinen. Nicht immer ist die Beziehung von Mutter und Kind so betrachtet worden – man hat vielmehr von einer mehr oder weniger starken Symbiose von Mutter und Kind gesprochen, einer mehr oder weniger vollständigen, quasi ursprünglichen, Verschmelzung. Daniel Stern hat diesen Punkt schon 1977 und in seinen späteren Arbeiten immer wieder betont, dass es sich um „die erste Beziehung“ handelt und der Säugling als eigenständiges Wesen betrachtet werden muss, wenn wir eine solche Beziehung untersuchen und verstehen wollen (Stern, 2002). 
Dass es eine solche vorsprachliche Kommunikation gibt, kann als gesichert angenommen werden. Allerdings ist nicht ganz klar, wie vorsprachliche Kommunikation aussehen kann, sagen wir, bei einem 16 Stunden alten oder beim 6 Wochen alten Säugling. Sie kann, das ist von Anfang an klar, nicht auf Sprache basieren und nicht auf irgendetwas, was wir einen Vorläufer von Sprache nennen können. Wir können hier also von nicht-verbaler Kommunikation sprechen, aber nicht von präverbaler Kommunikation, weil das suggeriert, dass der sprachliche Austausch seine logische Fortsetzung wäre. Wenn es nicht sprachliche Kommunikation ist, muss es eine Form des Austauschs sein, die andere Sinne anspricht: das Sehen, das Hören, das Fühlen. In der großen Anzahl von Untersuchungen ist es vor allem das Sehen gewesen, das untersucht worden, die Kommunikation mit den Augen, dem Folgen der Blickrichtung, dem Wiedererkennen bestimmten Schemata, usw. Bei den Untersuchungen von Meltzoff u. a. beispielsweise, bildet das Sehen das herausragende und bevorzugte Untersuchungsgebiet.

Wodurch ist die Situation charakterisiert, in der sich das Kind zusammen mit der Mutter befindet?  Kurz gesagt, es ist eine Situation, in der es vor allem darauf ankommt, dass der Säugling sich sicher und angstfrei fühlen kann, in der es keine Bedrohungen gibt, ausreichend Nahrung und Fürsorge für das körperliche Wohlbefinden.[1] Es stellen sich in unserem Zusammenhang zwei Fragen: Wie wird dieses angstfreie Befinden vom Säugling hergestellt? Und wie kommuniziert die Mutter, dass eine angstfreie Situation vorliegt und wie der Säugling, dass er sich im einem Zustand der Angstfreiheit und des Wohlseins befindet? Diese beiden Fragen signalisieren, dass die Situation keine Situation der Kommunikation um der Kommunikation willen ist – auch wenn das von der Mutter oder anderen Bezugspersonen so intendiert ist. Eine solche Situation ergibt sich erst im Kleinkindalter, und wird z.B. durch deklaratives Hinweisen angezeigt.

Porges hat in seiner Polyvagal-Theorie (Porges, 2011) den Entwurf eines Wahrnehmungssystems vorgestellt, das für die Regulierung der sozialen Prozesse in der oben beschriebenen Situation verantwortlich sein könnte: die Neurozeption[2]. Neurozeption spielt bei der sozial-kommunikativen Prozessen zwischen Säugling und Kind eine große Rolle: erst wenn das neurozeptive System die Information liefert, dass es sich um eine risiko- und daher angstfreie Situation handelt, kann es die drei basalen Abwehrmechanismen blockieren: Kampf, Flucht und Erstarrung. Die Blockierung dieser Abwehrmechanismen macht erst überhaupt den Weg frei für den Aufbau einer sozial-kommunikativen Beziehung zwischen Kind und Mutter. Wir sehen die sozial-kommunikation Beziehung damit sowohl als Bedingung wie als Ergebnis einer angstfreien Beziehung. Wie wir später sehen werden, spielt Oxytocin eine Rolle beim Eingehen einer angstfreien sozialen Beziehung.

Um mit einem anderen Menschen in Kontakt zu treten hat der Säugling wenig Möglichkeiten seine Motorik gezielt einzusetzen: in erster Linie ist es die Muskulatur des Kopfes und des Halses, die hierbei eingesetzt werden kann: durch Blickkontakt oder Abwenden und Lidschluss, durch Modulation der Stimme, durch Modulation des Gesichtsausdrucks und durch Ausrichtung oder Blockade der Muskeln des Mittelohrs.

Die Polyvagal-Theorie hat nach Porges drei basale neuronale Kontrollsysteme identifiziert, die das kortikale und autonome neuronale System jeweils in einem System verbinden. Für die Polyvagal-Theorie ist es wichtig, die evolutionäre Entstehung dieser Kreisläufe jeweils zu berücksichten.

Immobiliserung
-       totstellen, Starre
-       die primitivste Komponente, die die meisten Wirbeltieren besitzen
-       abhängig vom ältesten Ast des Vagus, ohne Myelinscheide

Mobilisierung
-       Kampf – Flucht – Verhalten
-       abhängig von sympathischen Nervensystem reguliert die Stoffwechsel- und Herzleistung

Soziale Kommunikation und Teilhabe
-       Gesichtsausdruck, Vokalisierung, Zuhören
-       Abhängig vom myelinisierten Ast des Vagus


Myelinisierter und nicht-myelinisierter Nervus vagus

Der Nervus vagus besteht nach der Polyvagal-Theorie aus zwei verschiedenen Teilen: Der vordere, ventrale Teil des Vagusnerven ist von schützenden Myelinscheiden umhüllt. Der hintere, dorsale Teil ist frei von Myelin.
    Das myelinisierte System ist das in der Entwicklung des Menschen neuere, reifere System. Es geht vom Nucleus ambiguus, einem Teil des Gehirns aus und liegt weiter vorne (ventral). Der vordere Teil des Vagus ist aktiv bei “Sicherheit” und für das soziale Verhalten (social engagement) mit-verantwortlich.
    Der hintere, nicht-myelinisierte Teil ist der ältere, der ursprüngliche Teil und liegt weiter “hinten” (dorsal). Die hinteren Kerne des Nervus vagus sind mit den Hirnnerven V (Trigeminus), VII (Facialis), IX (glossopharyngeus, unter anderem zuständig für das Mittelohr) und XI (accessorius) verbunden.

Funktion
Peripher / Autonom
Neurochemie
Kortikal-Neuronales System
Soziale Bindung
Regulation der Emotion Neuroprotektion         Herz ¯        
Respirat. Sinus Akt. ­
Myelinisierter Vagus

Oxytocin
Vasopressin
Serotonin
Norepiphedrin

Kortex Hirnstamm
Ventraler Vagus

Mobilisierung
Angst Panik                    Herz ­
Kortison ­
Sympathisch/
Adrenalin
(Hypothalamus/
Hypophyse Achse)
Vasopressin
Corticotropin
Kortison

Kortex
Hirnstamm
Rückenmark

Immobilisierung
Starre Depression Posttrauma                   Herz ¯
Kortison ¯
Nicht-Myelinisierter Vagus

Oxytocin
Opioide
Serotonin

Hirnstamm
Dorsaler Vagus


Schematische Darstellung der drei kortikal-neuronalen Kreisläufe nach Porges (2012)



Literatur

Chaminade, T., Meltzoff, A.N., & Decety, J. (2005). An fMRI study of imitation: Action representation and body schema. Neuropsychologia, 43, 115-127.
Decety, J., Chaminade, T., Grèzes J., & Meltzoff, A.N. (2002). A PET exploration of the neural mechanisms involved in reciprocal imitation. NeuroImage, 15, 265-272.
Jackson, P.L., Meltzoff, A.N., & Decety, J. (2006). An fMRI study of the effect of perspective taking on imitation. NeuroImage, 31, 429-439
Meltzoff, A.N. (2002). Elements of a developmental theory of imitation. In: A.N. Meltzoff & W. Prinz (Eds.), The Imitative Mind (pp. 19-41). Cambridge: Cambridge University Press.
Meltzoff, A.N. (2007). ‘Like me’: A foundation for social cognition. Developmental Science, 10(1), 126-134.
Meltzoff, A. N. (2007). The ‘like me’ framework for recognizing and becoming an intentional agent. Acta Psychologica, 124, 26–43.
Meltzoff, A.N., & Borton, R.W. (1979). Intermodal matching by human neonates. Nature, 282, 403-404.
Meltzoff, A.N., & Brooks, R. (2007). Eyes Wide Shut: The importance of eyes in infant gaze-following and understanding other minds. In R. Flom, K. Lee, & D. Muir (Eds.), Gaze following: Its development and significance (pp. 217-241). Mahwah, NJ: Erlbaum.
Meltzoff, A. N., & Moore, M. K. (1977). Imitation of facial and manual gestures by human neonates. Science, 198, 75–78.
Meltzoff, A.N. and Moore, M.K. (1983). Newborn infants imitate adult facial gestures. Child Development, 54, 702-709.
Meltzoff, A.N., & Moore, M.K. (1994). Imitation, memory, and the representation of persons. Infant Behavior and Development, 17, 83-99.
Papoušek, H., & Papoušek, M. (1974). Mirror image and self-recognition in young infants. Developmental Psychology, 7, 149–157.
Papoušek, H., & Papoušek, M. (1977). Cognitive aspects of preverbal social interaction between human infants and adults. In R. Porter & M. O’Connor (Eds.), Ciba Foundation Symposium 33—Parent-Infant Interaction (pp. 241–269). New York: Wiley.
Papoušek, H., & Papoušek, M. (1981). How human is the human newborn, and what else is to be done. In K. Bloom (Ed.), Prospective Issues in Infancy Research (pp. 137–155). Hillsdale: Erlbaum.
Papoušek, H., & Papoušek, M. (1992). Beyond emotional bonding: The role of preverbal communication in mental growth and health. Infant Mental Health Journal, 13(1), 43–53.
Porges, S. D. (2011). The Polyvagal Theory. New York: Norton. (dt. Die Polyvagal-Theorie. Paderborn: Junfermann, 2010)
Stern, D. N. (2002). The first relationship. With a new introduction. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Toth, K., Munson, J., Meltzoff, A. N. and Dawson, G. (2006). Early Predictors of Communication Development in Young Children with Autism Spectrum Disorder: Joint Attention, Imitation, and Toy Play. Journal of Autism and Developmental Disorders, 36, 993–1005.









[1] Im Gefolge der Untersuchung des Hospitalismus bei Säuglingen und Kleinkindern stellte sich schnell heraus, dass aureichende Nahrung und Hygiene nicht ausreichend sind für eine gesunde Entwicklung der Kinder. René A. Spitz hat hierzu bahnbrechende Forschungsarbeit geleistet – wie er im übrigen auch als Pionier der Untersuchung der Mutter-Kind-Kommunikation angesehen warden kann. Dazu sollte es hier einen gesonderten Beitrag geben.
[2] Natürlich ist „Neurozeption“ eine nicht besonders geglückte Übersetzung von neuroception. Im Deutschen ist Perzeption (auch in der Form der Apperzeption) seit Mitte des 20. Jahrhunderts ein ungebräuchliches Fremdwort geworden, nachdem es zuvor in den Systemen von Leibniz, Kant und auch von Wilhelm Wundt eine größere Rolle gespielt hat. Deshalb fehlt der unmittelbar einleuchtende Bezug zu „Wahrnehmung.“ Es wäre daran zu denken, den Begriff vielleicht durch „Neurowahrnehmung“ zu ersetzen, „Neurokognition wäre auch ein möglicher Kandidat.

Donnerstag, 19. Februar 2015

Neueste Nachrichten vom Treffen der beiden Vygotskijschen Linien - von Martin Hildebrand-Nilshon und Falk Seeger


Vermutlich hat Vygotskij im Laufe seiner letzten Lebensjahre die Metapher von den zwei Linien selbst für obsolet gehalten[1]. Wir hatten sie vereinfacht mit den Begriffen Natur und Kultur umschrieben – man könnte auch sagen: genetische Prädisposition und sozial vermitteltes Lernen. Beim späten Vygotskij ist davon die Rede, dass beide Linien nicht getrennt werden könnten. Es findet sich deshalb in der Literatur, auch in unseren Texten, so eine Art „Verschmelzungsmodell“, als würden die Linien früh miteinander verschmolzen, so dass sie untrennbar würden.

Die Metapher von den „Zwei Linien“

Wir meinen, dass hinter diesem abgeschwächten Zwei-Linien-Modell eine Schwäche steckt, die unbedingt vermieden werden sollte. Diese Schwäche ist die Schwäche der Metapher von zwei Entwicklungslinien, die wie auch immer miteinander verschmolzen sind, sich aufeinander zu bewegen oder überlagern oder welche Bilder sonst für das Zusammenwirken gewählt wären. Wir sind der Meinung, dass im Hintergrund dieser Metapher ein falsches Verständnis des Verhältnisses von genetischer Prädisposition und sozialem Lernen steht, das sich im Übrigen auch in den Modellen der neurokognitiven Psychologie im Hinblick auf das Verhältnis von Gehirn und Geist reproduziert.
Um den Fehler zu vermeiden sollte man sich u.E. an ein Piagetsches Diktum aus den dreißiger und vierziger Jahren erinnern, in dem er sich zum Verhältnis von Physiologie und Psychologie äußert, und zwar in Bezug auf den Greifreflex, der sozusagen als pars pro toto für die physiologischen Grundlagen des Verhaltens und damit auch für dessen genetische Grundlagen steht. Piaget sagt, dass die erste Realisierung eines Reflexes, z.B. des Greifreflexes, den Beginn des Psychologischen konstituiert. Der Vollzug des ersten Greifreflexes – ob intra- oder extrauterin ist hier unerheblich – konstituiert ein psychologisches Greifema. Der Greifreflex wird also nicht erst durch diverse Zirkulärreaktionen in ein kognitives Schema transformiert, sondern seine verhaltensmäßige Konstitution führt zum psychologischen oder kognitiven Schema bzw. ist das Schema, das durch die dann folgenden Zirkulärreaktionen nur erfahrungsbezogen in weiteren Assimilations- und Akkommodationsprozessen modifiziert wird. Die Physiologie des Reflexbogens, die naturwissenschaftlich gut untersucht ist, ist demnach keine Linie, die irgendwann mit der Linie der Erfahrungen aus wiederholten Greifaktivitäten zusammentrifft und dann umgewandelt wird und eine psychologische Form erhält, sondern sie ist und bleibt ein physiologischer Prozess, so wie andere genetische Prädispositionen neurologische, hormonelle oder motorisch-rezeptorische Prozesse bleiben, die lebenslang wirksam sind. Sie bilden die Grundlage, sozusagen die stofflich-energetische Basis für die psychischen Prozesse, die sich in und durch die Tätigkeit des Individuums  im sozialen Kontext entwickeln. Hier trifft sich nichts, hier wird nichts verschmolzen, sondern es handelt sich um zwei Ebenen oder um zwei Blickwinkel auf das gleiche Ganze. Die Natur des Menschen ist seine Kulturfähigkeit und Kultur ist ohne die menschliche Natur nicht realisierbar. Eine naheliegende Metapher wäre vielleicht eher die von „Ross und Reiter“, die an Freuds Strukturmodell von Es und Ich erinnert – wobei die immer virulente Frage: „Wer kontrolliert wen?“ für Fragen von Entwicklungsprozessen vielleicht nicht die Relevanz besitzt wie für Prozesse der Psychodynamik.
Die folgenden Ausführungen sollen diesen Sachverhalt und mögliche Fehlinterpretationen im Rahmen des Zwei-Linien-Modells anhand konkreter Entwicklungsprozesse verdeutlichen, wobei wir uns vor allem dem Bereich der Aufmerksamkeitsentwicklung zugewandt haben.


Aufmerksamkeitsentwicklung als ein Bereich der Entwicklung

Im Folgenden wollen wir versuchen, am Beispiel der Aufmerksamkeitsentwicklung aufzuzeigen, was es bedeutet, von einer Linie der Entwicklung auszugehen. Dabei ist die Auswahl der Entwicklung der Aufmerksamkeit keineswegs beliebig, sondern wir haben eine psychische Funktion ausgewählt, die in beispielhafter Weise verschiedene andere psychische Funktionen wie das Lernen, das Erinnern, das Sprechen, das Wollen miteinander verbindet. Die Entwicklung der Aufmerksamkeit kann als ein ausgezeichnetes Beispiel dazu dienen,
  • einerseits zu verdeutlichen, dass sie von Geburt in einer Art und Weise ausgereift ist, die nur darauf wartet, die Zeichen aus der zunächst personalen und dann dinglichen Umwelt aufzunehmen
  • andererseits wird ebenfalls deutlich, dass sich die Aufmerksamkeit im Laufe der Entwicklung auf fundamentale Art und Weise verändert, die man beschreiben kann als Übergang von der Außensteuerung zur Selbststeuerung. Man kann sagen, dass die Entwicklung der Aufmerksamkeit nicht in ein Schema passt, das sich als die gängige Entwicklungsvorstellung von rudimentären Formen zu höheren, komplexeren, differenzierteren darstellt. Die Aufmerksamkeit arbeitet schon in den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt auf eine erstaunlich effektive Art und Weise. In den ersten Lebensjahren wird die Breite und Tiefe der kindlichen Aufmerksamkeit immer weiter gesteigert – das Kind entwickelt Aufmerksamkeit in Breitwandformat mit anfänglich fehlender, aber stetig steigender Fähigkeit zur Konzentration, seine Aufmerksamkeit erscheint dabei absolut außengesteuert: alles ist relevant, was sich in der nahen und mittleren Umgebung abspielt. Diese Steuerung durch die Außenwelt wird ergänzt durch eine hohe innere Aufmerksamkeit. Vielleicht kann man sogar sagen, dass für ein bestimmtes Alter diese Grenze zwischen „Innen“ und „Außen“ äußerst durchlässig erscheint[2].
Die Stärke dieser unbedingten, quasi einsaugenden Aufmerksamkeit ist zugleich ihre Schwäche. Das Kind ist leicht abzulenken und nicht fähig, sich zu konzentrieren oder die Aufmerksamkeit willkürlich und kontinuierlich bestimmten Gegenständen oder einem bestimmten Geschehen zuzuwenden.

 

Aufmerksamkeitsentwicklung und die Evolution der Sensibilität

Die Entwicklung der Aufmerksamkeit scheint aus der phylogenetischen Perspektive eng mit dem Thema der Entwicklung der Sensibilität verbunden zu sein. Leont’ev hat in Probleme der Entwicklung des Psychischen (1971) darauf hingewiesen, dass die von ihm sogenannten signalisierenden Beziehungen, durch Zeichen oder andere Reize vermittelte Beziehungen zwischen höheren Organismen und ihrer Umwelt, nicht als Anfangspunkt der psychischen Entwicklung und nicht als quasi gegeben genommen werden können. Vielmehr setzt die Existenz von solchen signalisierenden und vermittelten Beziehungen voraus, dass bereits eine hoch entwickelte Form der Sensibilität besteht – die sozusagen am Anfang der Entwicklung der niederen Organismen steht.
Je höher die Entwicklung des organischen Lebens voranschreitet, desto wichtiger werden die vermittelten Beziehungen und desto weniger Raum nehmen die direkten Beziehungen zur Umwelt. Für die Phase der frühkindlichen Entwicklung bedeutet das aber nicht, dass die direkten Beziehungen keine Rolle spielen. Wenn die Umgebung im Leben eines Einzellers quasi durch den Organismus hindurch geht und die wesentliche Leistung der Trennung von Umwelt und Organismus das Entstehen einer Art halb-durchlässiger Membran ist, dann ist die Aufgabe der frühkindlichen Entwicklung nicht in einer Form der Abgrenzung, sondern in der Einbettung in die sozial-interaktive personale Umgebung zu sehen. So sehr ist dies eine Aufgabe, dass es einer Katastrophe in der Entwicklung gleich kommt, wenn ihr nicht nachgekommen wird. Darüber haben die Untersuchungen zur sensorischen Deprivation und zur Vernachlässigung ausreichende Hinweise gegeben.
Wir wollen hier den Zusammenhang an einem einfachen Beispiel aus der Neuroanatomie illustrieren, die zeigt, welche dramatischen Unterschiede zwischen einem Neugeborenen und einem Erwachsenen bestehen. Das Beispiel ist dem Buch von Lise Eliot (1999; S. 26) entnommen.
 
Neuronales Wachstum - Vergleich Neugeborenes/Erwachsener

Diese Darstellung zeigt sehr schön, was an neuronalem Wachstum stattfindet – allerdings gibt es nur ein ungefähres Bild, denn die Zunahme und Umbildung der neuronalen Vernetzung ist hier noch gar nicht dargestellt.
Diese Wachstumszone, die sich zwischen dem anfänglichen und dem entwickelten Zustand des neuronalen Systems befindet, ist nicht nur in einem ganz allgemeinen Sinne für Störungen anfällig, wie das für alle Prozesse der Entwicklung gilt – etwa die besondere Anfälligkeit für die frühen Formen eines Organismus. In dieser Zone der Entwicklung kommt es darauf an, dass die neuronale und die allgemein-organische Entwicklung in einer genau passenden Umgebung der Intersubjektivität, Empathie und Resonanz stattfindet (dazu unten gleich mehr). So wie das Stoffwechselsystem auf eine bestimmte Form der Nahrung, des Klimas usw. angewiesen ist das biologische Wachstum der neuronalen Systemen auf bestimmte Formen der Primärerfahrungen in der Mutter-Kind-Dyade angewiesen. Dies ist eine sehr eindrückliche Beschreibung der von uns favorisierten These der „einen Linie“ der Entwicklung: die biologische Entwicklung fordert oder setzt voraus eine bestimmte soziale Umgebung genauso wie die soziale Entwicklung eine bestimmte biologische Situation erfordert, die eine bestimmte soziale Umgebung fordert, usw. Es lässt sich im Sinne einer echten Komplementarität das eine nicht ohne das andere denken.
Winnicott hatte gegen 1940 den Slogan geprägt: „There is no such thing as a baby!“ und betont, dass die folgende ebenso einfache wie plausible Tatsache zum Ausgangspunkt der Überlegungen zur frühkindlichen Entwicklung gemacht werden müsse: „whenever one finds an infant one finds maternal care, and without maternal care there would be no infant ( Winnicott, 1965, Fußnote S. 38).
In der Mutter-Kind-Dyade kommt es zur Entwicklung von extensiven raumzeitlichen Mustern, auf deren Grundlage Zuschreibungen, Attributionen von mentalen Zuständen möglichen werden, die wiederum die Selbst-Attribuierung erfordern und fördern. Dies wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für das mentale „Andocken“, die soziale Bindung, zur sozialen Resonanz.
Wenn wir diesen Zusammenhang betrachten, ergibt sich die Notwendigkeit, unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen ein erneuertes Verständnis von „Sorge“ (eine vielleicht nicht so gelungene Übersetzung von „child care“, vielleicht ist Sorgsamkeit besser, wenn auch nicht schöner) zu gewinnen und zu praktizieren. Es scheint plausibel, davon auszugehen, dass das Konzept der „good enough mother,“ wie es Winnicott für das Gelingen frühkindlichen Aufwachsens formuliert hat, aktualisiert werden muss bzw. sich ja irgendwie von selbst akutalisiert. Wir werden später darauf zurück kommen.

 

Die Entdeckung der Mutterliebe: Die Experimente von Harry Harlow

Ist eigentllich auch für andere Primaten eine Vernachlässigung in ihrer Entwicklung möglich? Oder ist dies nur eine spezifische Erscheinung für die menschliche frühkindliche Entwicklung? Und was würde Liebe, Zuwendung, Empathie als notwendige Bedingung guter Fürsorge für andere Primaten bedeuten?
Eine interessante Lektüre, die uns in den Bereich dieser Fragen hinein führt, ist Deborah Blums „Die Entdeckung der Mutterliebe: Die legendären Affenexperimente des Harry Harlow“ (Blum, 2010).
Die Bilder von den kleinen Äffchen, die sich an Drahtmodelle klammern, die irgendwie ihre Mütter darstellen sollen, sind schon erschütternd. Aber Harlow war eher ein Botschafter der Liebe als eine hartnasiger Gefolgsmann von Watson, der in seinen Erziehungsratgeber ja noch empfohlen hatte, den kleinen Kindern nicht zu viel Körperkontakt und Wohlbefinden zukommen zu lassen, weil das nicht gut für ihre Entwicklung sei: Mütter sollen ihren Kindern nicht zuviel Liebe und Aufmerksamkeit schenken und Eltern sollten ihre Kinder nicht auf ihrem Schoß sitzen lassen (Watson, 1928).
 
Harlows Experimente
Harlow wollte mit seiner Versuchsanordnung beweisen, dass die affektive Beziehung zur Mutter eine lebenswichtige Dimension für die kleinen Affen darstellt. Er konstruierte zu diesem Zweck eine „Mutter“ aus Draht und einem Roboterkopf und eine „Mutter“ aus flauschigem Stoff, die ein irgendwie affenähnliches Gesicht mit großen Augen besaß. Die Äffchen hatten eine eindeutige Präferenz: sie hielten sich immer und ausschließlich bei der „Stoffmutter“ auf – auch dann, wenn die „Drahtmutter“ mit einer Saugvorrichtung ausgestattet wurde, die den Äffchen Nahrung gab. Das mittlere Bild zeigt, wie die Äffchen das Dilemma von Hunger nach Nahrung und Hunger nach Zuwendung lösten: sie versuchten die Saugvorrichtung zu erreichen ohne die „Stoffmutter“ los zu lassen.

 

Entwicklung der Aufmerksamkeit als Entwicklung semiotischer Systeme und ihrer Vernetzung

Suchte man nach einer Wahl, die anders ist als die Wahl von biologischen oder sozialen Erklärungsversuchen, also nach einer Wahl, die gerade das Zwei-Linien-Dilemma vermeidet, dann bietet sich ein semiotischer Ansatz ganz zwangsläufig an, denn „Zeichen“ kann als Begriff verstanden werden, der sich sowohl auf mentale wie auf organismische Zustände beziehen lässt – so wie sich etwa „Reiz“ auf Prozesse der Erregungsleitung aber auch auf Gefühlszustände beziehen. Tatsächlich hat Lev Vygotkskij in dem berühmten Dreieck, in dem er die Natur der vermittelten Handlung erläutert, ja auch von einem „vermittelnden Reiz“ gesprochen. Wenn man so will ist diese Idee, den Reiz als Grundlage zu nehmen, eine „stand alone“-Version, während die „Zeichen“-Idee quasi die sozial vernetzte Version darstellt.
Reize sind eben durch ihre hohe Selektivität definiert: sie lösen eben nur eine bestimmte, die konditionierte Reaktion aus. Zeichen hingegen sind, vor allem in der Auffassung von Peirce, quasi von Anfang dazu bestimmt, sich mit anderen Zeichen, anderen Objekten und anderen Interpretanten zu verbinden – dies verdanken sie dem Umstand, um einmal Winnicott zu paraphrasieren, dass „there is no such thing as a sign,“ sondern immer nur die Dreiheit von Zeichen, Objekt und Interpretant.
Zeichen als Einheit von Zeichen, Objekt und Interpretant

Macht man sich klar, dass etwa ein Zeichen zum Gegenstand gemacht werden kann, dann sieht man sofort, wie sich Zeichen, Interpretant und Objekt zu unendlichen Netzwerken zusammen schließen.

Vernetzung von Zeichen

Wie das genau passiert, kann man sehr schön an den Studien zur Entwicklung der gemeinsamen Aufmerksamkeitsausrichtung im ersten Lebensjahr im Vergleich zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Primaten sehen.

 

Mikroprozesse der Aufmerksamkeitsentwicklung: Vorsprachlichen Repräsentationen als interaktionales Netz sozio-emotionaler Signale und Zeichen

Die Entwicklung der Aufmerksamkeit folgt nach Tomasello ungefähr in einem Dreischritt, der drei Stadien der geteilten Aufmerksamkeit darstellt: das Kind prüft zunächst, ob sich die Aufmerksamkeit tatsächlich auf das gleiche Objekt richtet, dann kann es im Alter von 11-14 Monaten dem Blick oder der Geste der Mutter folgen, die seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmtes Objekt richtet und kann kurz darauf die geteilte Aufmerksamkeit feststellen, die den Kern der deklarativen Aufmerksamkeit darstellt
 
Die Stufen der Entwicklung der gemeinsamen Aufmerksamkeits­ausrichtung nach Tomasello (1999)

In der Abbildung entspricht das deklarative Zeigen den dickeren Pfeilen zwischen Kind und Mutter: das Kind lenkt die Aufmerksamkeit der Mutter mit Hilfsmitteln: Zeichen, Gesten, Zupfen am Rockzipfel oder Sprache. Die Mutter verwendet ebenfalls Zeichen oder Sprache.: „Schau doch mal den süßen Hund“.
Deklaratives Hinweisen
Tatsächlich erscheint jedoch das deklarative Hinweisen noch sehr viel komplexer, einerseits in Bezug auf die „internen“ interaktional möglichen Beziehungen, andererseits in ihrem Verweis auf den sozialen und historischen Kontext dieser Beziehungen. Wenn man auf das Photo blickt, wird die unausgewiesene Fülle von emotionaler Wechselseitigkeit, Körperlichkeit und Interaktionsgeschichte nachvollziehbar, die ein deklarativer Hinweis enthalten kann, einschließlich schichtspezifischer, ethnischer oder geographischer Aspekte, die mit in die Szene eingehen und für beide Partner eine Rolle spielen.
Deklaratives Hinweisen „live“

In den letzten Jahren haben sich unterschiedliche Forscher der Frage zugewandt, wie es mit der emotionalen Seite in diesen frühen Phasen der Aufmerksamkeitsentwicklung aussieht.
Sie kommen teilweise aus dem Kontext der Psychoanalyse (Peter Fonagy und Mitarbeiter, Stanley I. Greenspan oder Daniel Stern). Sie befassen sich mit der frühen Affektregulation oder Affektabstimmung zwischen Mutter und Baby. Emotionalität ist dabei gewissermaßen der „Basisschmierstoff“ für die Entwicklung, auch für die Entwicklung der Aufmerksamkeit.
Doch auch Manfred Holodynski (2006), dessen Modell der Emotionsregulation sich unter anderem explizit auf Vygotskij bezieht, geht von einem Prozess aus, in dem durch die Affektregulation auf Seiten der Erwachsenen und den damit verbundenen Ausdruckszeichen - sowohl in ihrer mimisch-gestischen Form, als auch in ihrer kulturellen Bedeutung – das Kind die Bedeutung seiner Gefühle kennenlernt. In diesem Prozess werden gewissermaßen die Ausdruckszeichen der Bezugpersonen – Holodynski bezieht sich wie wir hier auf eine Peirce-Adaptation – zu Zeichen für die Emotionen des Kindes, entsprechend dem Vygotskijschen Prinzip des Transfers vom Interpsychischen zum Intrapsychischen.
Auch Fonagy und Mitarbeiter (Fonagy 2006; Fonagy et al., 2004) operieren mit episodischen Abstraktionen aus der Mutter-Kind-Interaktion die aus den überzeichnete Affektspiegelungen der Mutter gespeist werden. Mit solchen überzeichneten Affektspiegelungen hilft die Mutter dem Kind gewissermaßen „von außen“, seine Affekte zu regulieren. Das Kind speichert dann die wiederkehrenden Gefühlsausdrücke der Mutter als Bilder und nutzt diese Repräsentation zur Symbolisierung emotionaler Zustände oder Situationen.
Tomasello (1999) sagt wenig zur Regulation von Emotionen, sondern postuliert eine Art  „emotionales Grundbedürfnis“ nach „sharing of intentions“, d.h. nach dem gemeinsamen Handeln, das genetisch prädisponiert sei.
Bei Bowlbys (1982, 2001) Begriff der Bindungsqualität, deren Ausprägung mit einem Jahr zu einem ersten Abschluss gekommen ist, wird explizit - zumindest bei der unsicher-vermeidenden Form der Bindungsqualität - von Verdrängungs- und Verschiebungsprozessen gesprochen, in denen das Kind die abweisenden Verhaltenweisen der Mutter nicht ihr, sondern sich selbst attribuiert, was dann zur Kontrolle der negativen emotionalen Impulse gegenüber der Mutter in Stress-Situationen führt. Auch in diesem Modell kann man eine Art von Internalisierung der emotionalen Ausdruckszeichen der Bezugspersonen  verorten. Bowlby benützt für die  Verarbeitung der Reaktionen der Bezugpersonen den unpräzisen Begriff „internal working model“, das nach anfänglichen nichtsprachlichen Repräsentationsformen später sprachlich-symbolisch überformt würde.
Greenspan & Shankers (2007) Repräsentationsbegriff setzt die Fähigkeit der Trennung von Wahrnehmung und Handlung voraus, wofür er die Metapher des „freistehenden Bildes“ nutzt: Kinder und höhere Säugetiere sind zur Trennung von Wahrnehmung und Handlung fähig, weil eine Wahrnehmung nicht den dazu notwendigen Handlungsimpuls automatisch nach sich zieht. Dies führe zur Entstehung des „freistehenden Bildes“, sozusagen eines Bildes ohne den Handlungszwang der Flucht, des Angriffs, der Konsumtion etc. , das dann in der Interaktion mit emotionalen Signalen verbunden würde, die dann einen repräsentationalen Zugang zu den eigenen Gefühlen und schließlich auch zur Sprache eröffneten. 


  • Trotz ihrer unterschiedlichen theoretischen Herkunft stimmen die Forscher darin überein, dass die Differenzierung der Emotionen des Kindes und die Fähigkeit zu ihrer Regulation und psychischen Repräsentation in den Interaktionen mit den Bezugpersonen, insbesondere mit der primären Bezugsperson und damit zumeist der Mutter, stattfindet. 
  • Ebenso ähneln sich die Ansätze in der These, dass dieser Prozess im ersten Lebensjahr beginnt und Zeichencharakter aufweist, und zwar vorsprachlichen Zeichencharakter. Auch wenn nicht alle Autoren den Zeichenbegriff verwenden und sich nur Holodynski ausdrücklich auf Peirce bezieht, gehen doch alle von einer Form der Etablierung nichtsprachlicher Repräsentationsformen aus. 
  • Drittes gemeinsames Merkmal ist der schon erwähnte Bezug zu Vygotskij, der sich bei Fonagy, Holodynski und Tomasello an entsprechenden Stellen explizit  findet. Allerdings hat Vygotkij kein Modell, das vorsprachliche Zeichensysteme vorsieht, es geht vor allem um das Entwicklungsprinzip „vom Interindividuellen zum Intraindividuellen“, was dann auch für vorsprachliche Prozesse gelten kann. 
  • Mit Ausnahme von Holodynski haben alle anderen Vertreter keinen Ort für die Anbindung makrokultureller Prozesse. Im Gegenteil – hier muss man vielleicht auch Vygotskij einbeziehen - , alle operieren auf einem hohen Verallgemeinerungsniveau, ohne auf das Problem des Ethno- oder Eurozentrismus zu achten. Die Arbeiten von Carolin Demuth (Demuth et al. 2011, Vergleichstudie der Mutter-Kind-Interaktionen mit drei Monate alten Kindern in Münster und Ghana)  zeigen, dass dieses Problem sowohl in seiner inter- wie in seiner intrakulturellen Dimension völlig ausgeblendet wurde – was nichts mit politischer Korrektheit zu tun hat, sondern u. E. auf schwerwiegende theoretische Mängel verweist.


Aus den referierten Positionen wird für die Entwicklung der Aufmerksamkeit Folgendes deutlich: Es geht hier nicht um einen allgemeinpsychologischen Automatismus oder automatischen Reifungsprozess. Vielmehr muss der semiotische Blickwinkel, wenn er auch die Makroperspektive der Kultur in einem wirklich kulturhistorischen Ansatz einnimmt, von einem hochkomplexen Vernetzungszusammenhang ausgehen, der mehr beinhaltet als den Blick auf eine mitteleuropäische Mittelschicht-Mutter in der Interaktion mit ihrem Einzelkind.
Ein Aspekt dieses Zusammenhangs kommt im nächsten Punkt zur Sprache

Aufmerksamkeit im gesellschaftlichen Kontext

Die obige Darstellung des deklarativen Hinweisens, des referenziellen Teilens von Aufmerksamkeit zeigt uns auch, dass diese äußerst komplexe interaktive Konstellation auch ziemlich störanfällig ist, insofern ihr Gelingen von multiplen, miteinander reflexiv verschränkten Deutungs- und Interpretationsprozessen abhängt – und nicht allein davon, dass sozusagen der emotionale Grund dieser Beziehungen stimmig und unterstützend sein sollte.
Dieser Aspekt führt unsere Betrachtungen weiter zu der Frage, wie Aufmerksamkeitsstörungen entstehen, worin sie bestehen und wie die Bedingungen ihrer erfolgreichen Therapie zu veranschlagen sind. Das Thema ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) nimmt seit Jahren in der pädagogischen Praxis einen großen Raum ein – wovon uns Margarete Liebrand ja immer mal wieder berichtet hat. Es muss nicht weiter ausgeführt, welchen Beitrag zur Marginalisierung und Stigmatisierung von Kindern mit schulischen Problemen dieser Begriff und seine Anwendung leisten – zusammen mit der Praxis der skandalösen Verabreichung von Medikamenten wie Ritalin und Prozac
Wir können dieses Thema hier nicht auch nur annähernd so ausführen wie es nötig wäre, um die Zusammenhänge angemessen darzustellen. Deshalb hier nur zwei Aspekte, zwei Schwerpunkte, die einigermaßen wichtig erscheinen: 
  • die Pathologisierung der Aufmerksamkeitssteuerung 
  • die Rolle der Medien und die Politik der Aufmerksamkeitssteuerung

Die Pathologisierung der Aufmerksamkeitssteuerung

Die galoppierende Inflation der Diagnose „ADS“ und Co. gibt schon einen Hinweis darauf, dass es sich hierbei nicht wirklich um eine epidemische Erkrankung, um einen pathologischen Befund handelt. Eher ist es ein Versuch der Steuerung und der Selektion im schulischen Bereich.


Vygotskij konnte vielleicht, entsprechend dem zu seiner Zeit üblichen Sprachgebrauch, noch von einem „Defizit“ sprechen – obgleich er immer betont hat, dass diese Redeweise eigentlich nur unseren eigenen „defizitären“ Erkenntnisstand reflektiert. Wenn wir eine nach vorne offene und nicht-pathologisierende Darstellung von Variationen in der Steuerung der Aufmerksamkeit in schulischen Lernsituationen anstreben, sollten wir neben der Situiertheit dieses Phänomens vor allem die Gelegenheit ergreifen, die uns die neueren Ergebnisse der Kleinkindforschung anbieten. Diese führen zu einer etwas anderen Bewertung des Phänomens. Hier wollen wir zwei Aspekte herausgreifen: 


  • Der langsame Übergang von der Breitband-Aufmerksamkeit zur kontrollierten, willkürlich gesteuerten Aufmerksamkeit in der frühkindlichen Entwicklung ist ein Prozess sozialer Bindung, der zu dem paradoxen Ergebnis größerer Eigenständigkeit und Autonomie führt. Störungen dieses Übergangs können nur in sozialen Situationen aufgefangen und heilend neu vermittelt werden. Hier ist das Vygotskijsche Modell von der steuernden Funktion der Sprache ein gutes Modell, wenn es in den o.g. sozio-emotionalen Kontext eingeordnet wird.
  • Es bringt wenig, nach noch tiefer liegenden organischen Ursachen für Aufmerksamkeitsprobleme zu suchen – eben weil wir es hier mit einer Linie der Entwicklung zu tun haben. Bei Wolfgang Jantzen, „Über die soziale Konstruktion von Verhaltensstörungen – Das Beispiel Aufmerksamkeitsdefizitsysyndrom (ADS)“ finden wir zwei Variationen dieser Suche. Einerseits sieht er in der Narkolepsie (Schlafkrankheit) den „Kern des Syndroms“ der ADS, andererseits hält er solche Versuche für sehr gelungen, die frei flottierende Aufmerksamkeit, die für Kleinkinder und ADS-gelabelte Kinder gleichermaßen typisch ist, als ein phylogenetisches Re-enactment der Mentalität des herumstreifenden Jägers zu verstehen. Und typischerweise finden diese Vertreter denn auch Größen der Vergangenheit, vor allem Erfinder und Künstler, die angeblich ADS hatten – wie man das ja auch schon von den unter Legasthenie leidenden Genies kennt.



Medien und Psychopolitik der Aufmerksamkeit

Die allfälligen Klagen sind bekannt, dass die Medien und der Konsum von Fernsehen und Videospielen, dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass Kinder sich in Kindergarten und Schule nicht mehr konzentrieren können. Man kann diesen Klagen zustimmen und eigene Erfahrungen zur Klagemauer tragen, oder man kann diese Klagen für Unsinn halten und auf Beispiele gelungener schulischer Leistungen aus der näheren und ferneren Anschauung verweisen. Beides sollte man nicht tun. Schließlich war die erste Welle der Computernutzung durch Kinder und Jugendliche vor allem von dem Vorwurf gekrönt, dass sie, dem Lesenlernen, dem Umgang mit Schriftsprache, ja, der literalen Kultur insgesamt den Todesstoß versetzen würde. Das ist nicht eingetreten, sondern das Gegenteil. Die Computernutzung hat in nicht antizipierter Art und Umfang zur Alphabetisierung beigetragen. Man sollte also besser vorsichtig mit den Prognosen sein.
Was waren die Ursachen für diesen nicht erwarteten Effekt? Hans Brügelmann hat (siehe z. B. 1980, 1984) in seiner Pädagogik des Schriftspracherwerbs von Anfang an darauf hingewiesen, dass der motivational konkurrenzlose Motor der Aneignung der Schriftsprache in der Erkenntnis liegt, dass die Schriftsprache der Kommunikation dient. Die kommunikative Einsicht begründet aber auch die Einsicht in eine hinreichende Robustheit des Geschriebenen gegen Fehlinterpretationen: Schriftbild und grammatikalischer Aufbau müssen dekodierbar sein für den Empfänger des Geschriebenen, sonst ist es allenfalls eine Botschaft für den Schreiber selbst. Offensichtlich waren die jugendlichen Nutzer ebenfalls von dieser Einsicht in die kommunikative Funktion der Schriftsprache beflügelt.
Mit einem anderen Sachverhalt haben wir es allerdings zu tun, wenn es um den frühkindlichen Konsum von Fernsehen geht.
In seinem bemerkenswerten Buch „Die Logik der Sorge“ (Suhrkamp 2008) hat Bernard Stiegler aufgezeigt, wie sich die Veränderungen des Kapitalismus, die eine völlige Veränderung der Medien mit sich bringen, auf die Sorge und Verantwortung um die heranwachsende Generation. Ausgangpunkt seiner Analyse ist die weltweit – vor allem in den USA und Frankreich – zu beobachtende Tendenz, die Volljährigkeit jugendlicher Straftäter juristisch und gesetzlich nicht mehr als ausschlaggebend für die Schuldfähigkeit anzusehen. Es ist einsichtig, dass diese gesetzliche Maßnahme grundlegend die Verantwortlichkeit gegenüber den „Minderjährigen“ ablehnt und zerstört, so wie sie zugleich die Volljährigkeit und Verantwortlichkeit ihrer erwachsenen Eltern zerstört.
In einem anderen Beispiel, das Stiegler zum Ausgangspunkt nimmt, versucht ein französischer Fernsehsender, Canal J, in groß angelegten Kampagnen den Kindern und ihren Eltern klar zu machen, dass die Kinder etwas Besseres verdient haben als die Sorge ihrer Eltern, indem sie die Eltern und Großeltern der Lächerlichkeit preisgeben.
Die Kinder verdienen etwas Besseres als das was ihnen ihre Eltern anbieten, findet Canal J


Stiegler begreift diese Versuche der Einflussnahme nicht als vereinzelte Verirrungen eines schlechten Geschmacks, sondern er sieht sie im Rahmen einer Strategie der Entmündigung durch Industrie und des Finanzkapitals, in der es darum geht, die Hegemonie über die Aufmerksamkeit der heranwachsenden Generation zu gewinnen um sie von klein an als Kunden und User zu gewinnen.




Schule, Unterricht, akademische Ausbildung basieren auf einer historisch bestimmten Form der rationalen und kritischen Aufmerksamkeit, die durch den Begriff der Mündigkeit charakterisiert ist und die ein „Wir“-Bewusstsein als Mit-Wissen (con-scientia) einschließt.

Die gegenwärtige Zerstörung dieses historischen Stadium des Bewusstseins durch die Psychomacht, ohne das keine Form des Unterrichts schulischer oder akademischer Natur, der diesen Namen verdiente, möglich ist, entspricht der Zerstörung des demokratischen Systems der Sorge durch eine Macht, die aus Prinzip keine Sorge trägt.

Es handelt sich bei dieser Macht um die Finanzspekulation, die die Gleichgültigkeit zum Mechanismus ihrer Dynamik des Mißwachstums gemacht hat, eine negative Dynamik: Die Dynamik des Schlimmsten – insofern sie systematisch das Kurzfristige und die ihm entspringenden Kurschlüsse (psychische, soziale, börsenmäßige usw.) bevorzugt. Sie hat die Investition des Kapitals durch die Spekulation ersetzt, die die Unternehmen zerstört, indem sie sie der Möglichkeit beraubt, ihre Zukunft zu entwerfen ... (Stiegler 2008, 87-88).

Der entscheidende Punkt ist nun, dass die Phase der Entwicklung der kindlichen Aufmerksamkeit, die wir oben beschrieben, sozusagen nicht den sozialen und kulturellen Input erhält, der notwendig ist, damit diese Entwicklung mit dem tendenziellen Erreichen einer gelungenen, mündige, rationalen und kritischen Aufmerksamkeit ist abgeschlossen werden kann. Auf diese Weise kann die frei flottierende Aufmerksamkeit des Frühkindstadiums nicht „kultiviert“ werden, sondern verbleibt quasi in einem, nur aber regressiven, Stadium. Die Psychotechnologie der konserviert umso umfassender diese regressive Aufmerksamkeit als das Internet mit immer neuen Verfahren und „Verbesserungen“ den Zustand fortzuschreiben versucht, den es angeblich versucht, erträglicher zu machen. Insbesondere die digitalen Netzwerke ersetzen die Notwendigkeit einer Kultivierung der Aufmerksamkeit durch eine technische, indem sie Aufmerksamkeitsprofile der Nutzer erstellen, das die Interessen, die Aktivitäten und die Werte des Nutzers widerspiegelt.

In Wahrheit kann eine solche Defintion von Aufmerksamkeit, die auf die Heilung des Aufmerksamkeitsdefizits als Syndrom der kognitiven Übersättigung abzielt, dieses Defizit lediglich verschärfen, sofern man sie nicht als eine Umgebung auffaßt, die die Entwicklung von Aufmerksamkeit durch Kultivierung fördert, sondern als technisches System, das diese ersetzt oder kurzschließt (Stiegler 2008, 151).






 

Biopolitik der Aufmerksamkeitssteuerung

Über 6 Millionen Kinder, darunter ungefähr 10% aller 6-18jährigen Jungen, erhalten in den USA Ritalin, damit sie in der Schule „besser klarkommen“ – ungeachtet der Tatsache, dass es keinerlei wissenschaftlich stichhaltigen Beweise dafür gibt, dass das Ungleichgewicht von Adrenalin/Noradrenalin und Serotonin im Gehirn die Ursache für ADS ist
Zwischen 1995 und 1999 nahm der Gebrauch von Ritalin bei Kindern unter 7 Jahren um 23% zu und der Gebrauch von Prozac und ähnlichen Antidepressiva steigert sich in  der gleichen Altersgruppe um sage und schreibe 580% - ungeachtet der Tatsache, dass diese Medikamente für Kinder unter 18 Jahren nicht zugelassen waren.


Im Gebrauch befindliche Medikamente zur Aufmerksamkeitssteuerung

Name
Wirkstoff
Medikamentengruppe
Für wen?
Strattera®
Atomoxetin
Selektiver Noradrenalin Wiederaufnahme Hemmer (NARI)
Kinder ab 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene mit einer eindeutigen ADS Diagnose
Tofranil® Imipramin - neuraxpharm®
Imipramin
Trizyklisches Antidepressiva (TZA)
Kinder ab 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene mit einer eindeutigen ADS Diagnose
Petylyl® - Dragees
Desipramin
Trizyklisches Antidepressiva (TZA)
Erwachsene
Trevilor® Venlaflaxin
Serotonin-Noradrenalin
Wiederaufnahme Hemmer (SNRI)
nicht für Kinder und Jugendliche (<18 Jahre)
Aurorix® Moclix®
Tofranil
trizyklisches Antidepressivum


Erwachsene



Bindung und Selbst-Kontrolle

Bindung ist auch „Kundenbindung“ ...
Die verantwortliche Sorge wird aber nicht nur von außen, von kapitalistischen Interessen, sondern auch von innen zerstört. Die Missbrauchsskandale geben ein beredtes Zeugnis davon ab. Dass es die kirchliche Internate und andere prinzipiell lustfeindliche Institutionen besonders getroffen hat, scheint dabei aber eher eine Verlängerung der Vergangenheit als ein historisch neuartiges Phänomen. Schrecklich ist es, dass nun die Vorzeigeinstitutionen der pädagogischen Reform moralisch zerrüttet sind.
Die so ausführliche Berichterstattung über das Ausmaß der Zerrüttung, der Verwerflichkeit und der Korruption hat wohl nicht zuletzt auch den Zweck ad oculos zu demonstrieren, dass nicht nur den Eltern, sondern auch den erzieherischen Institutionen die Verantwortlichkeit grundsätzlich abgesprochen werden kann. Diesen Personen und Institutionen „Bindung“ der kindlichen Entwicklung zu ermöglichen, erscheint undenkbar.
Hier ist aber nicht nur die Missbrauchsskandale relevant, sondern die Tatsache, dass Eltern nicht mehr wissen, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Das ist auch eine Seite von Canal J: die Eltern wollen erziehen, wissen aber nicht mehr wie es geht, weil der gesellschaftlich-historische Bedeutungs- und Sinnzusammenhang dazu verloren gegangen ist und Kindererziehung wie eine Art Do-it-yourself-Job wahrgenommen wird, den man irgendwie bewältigen lernen muss, notfalls durch mediale Vorbilder, durch Ratgeberliteratur, am besten aber, indem man die Kinder in entsprechende professionelle Kontexte gibt.
Ob das wirklich so ist, ist jedenfalls eine tiefgreifende Frage: ob der gesellschaftlich-historische Bedeutungs- und Sinnzusammenhang, den Stiegler ja mit dem Begriff der Kantschen „Mündigkeit“ paraphrasiert, wirklich in der Vergangenheit des letzten Jahrhunderts der Hintergrund für die Gesamtheit der elterlichen Erziehungsvorstellungen aller Schichten gewesen ist, bleibt ernsthaft zu bezweifeln. Insofern kann man zwar sagen, dass eine bürgerliche Elite vielleicht nicht mehr weiss, wie das Erziehen geht – aber große Teile der arbeitenden Bevölkerung haben da doch ganz andere vorstellen als „Mündigkeit“ gehabt. Im übrigen, wenn ich an die Erziehungsexperimente des Herrn Schreber (der mit den Gärten) mit seinem dann schließlich an der Erziehung irre gewordenen Sohn denke, ist selbst für das Bürgertum diese Darstellung einer an der Mündigkeit orientierten Erziehungsvorstellung nur in Teilen zutreffend.


Literatur




Blum, D. (2010). Die Entdeckung der Mutterliebe: Die legendären Affenexperimente des Harry Harlow. Weinheim: Beltz.
Bowlby, J. (1982). Bindung – Eine Analyse der Mutter-Kind-Beziehung. München: Kindler.
Bowlby, J. (2001). Frühe Bindung und kindliche Entwicklung. München: Ernst Reinhardt.
Brügelmann, H., (1980) (Hrsg.). ABC und Schriftsprache: Rätsel für Kinder, Lehrer und Forscher. Konstanz: Faude.
Brügelmann, H. (1984). Die Schrift entdecken. Konstanz: Faude.
Demuth, C., Keller, H., and Relindis, D. Y. (2011). Cultural models in communication with infants: Lessons from Kikaikelaki, Cameroon and Muenster, Germany. Journal of Early Childhood Education, 10(1), 70-87.
Eliot, L. (1999). What’s going on in there? How the brain and mind develop in the first five years of life. New York: Bantam Books.
Goethe, J. W. von (1972). Poetische Werke. Berliner Ausgabe, Band 1. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag.
Greenspan, S. I. und Shanker, S. G. (2007). Der erste Gedanke. Frühkindliche Kommunikation und die Evolution menschlichen Denkens. Weinheim: Beltz.
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Holodynski, M. (2006). Die Entwicklung der Emotionen. Berlin, New York: Springer.
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Stiegler, B. (2008). Die Logik der Sorge: Verlust der Aufklärung durch Technik und Medien. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Tomasello, M. (1999). The Cultural Origins of Human Cognition. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Watson, J. B. (1928). Psychological Care of Infant and Child. New York: W. W. Norton.
Winnicott,  D. W. (1965). The theory of the parent-infant relationship. In The Maturational Processes and the Facilitating Environment (S. 36-55).  London: Hogarth Press.



[1] Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass es sich nur um eine Linie handelt. (Langfassung des Vortrages auf dem 7. Workshop Tätigkeitstheorie und kulturhistorische Schule“ vom 9.- 11. Juli 2010 im Haus Ohrbeck bei Osnabrück)
[2] Das erinnert an die „methodologische Maxime“ der Naturbetrachtung, die Goethe in dem Gedicht Epirrhema so beschrieben hat:
„Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten;
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen:
Denn was innen, das ist außen.“
(Goethe 1972, S. 545)